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Protest: "Nein zum Krieg und zwar prinzipiell!"

Verantwortlicher Autor: Sergej Perelman Stuttgart, 02.10.2022, 16:36 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Politik +++ Bericht 6491x gelesen
Banner am Kopf des Protestzuges
Banner am Kopf des Protestzuges  Bild: Sergej Perelman

Stuttgart [ENA] Am 1. Oktober zog ein Protestzug für den Frieden unter dem Motto "Keinen Euro für Krieg und Zerstörung!" durch die Stuttgarter Innenstadt als Teil eines bundesweiten Aktionstages. Das breite Bündnis forderte "Verhandeln statt schießen!" und Milliarden für eine soziale und ökologische Politik.

Der bundesweite, dezentrale Aktionstag "Keinen Euro für Geld und Zerstörung. Statt dessen Milliarden für eine soziale, gerechte und ökologische Friedenspolitik. Stoppt den Krieg! Verhandeln statt schießen!" wurde in Stuttgart von einem breiten Bündnis aus traditioneller Friedensbewegung, pax christi, einzelnen Christen aus der evg. Landeskirche, Gewerkschaften, Naturschutzverbänden, kommunistisch-sozialistischen Parteien und zahlreichen anderen Initiativen unterstützt und vereinte einige Hundert Versammlungsteilnehmer zur Auftaktkundgebung am Hbf., beim Protestzug durch die Innenstadt und bei der Abschlusskundgebung am Stauffenbergplatz.

Leila, eine junge Verdi.-Vertreterin, hielt eine Rede bei der Auftaktkundgebung, in der sie die Politik der Ampel-Koalition sarkastisch mit der Formel "Keiner soll hungern, ohne zu frieren" einer harschen Kritik unterzog. Danach griff sie die Gewinner der jetzigen Energiekrise und des Krieges vorwurfsvoll an: "Die Ölkonzerne (Shell und Total) verbuchen Quartalsgewinne, die die Gewinne vom Vorjahr in Milliardenhöhe überbieten."

Demonstrierende halten ein Transparent hoch

Darüber hinaus hielt die junge Gewerkschafterin neben den Rüstungskonzernen Hensoldt, Rheinmetall und Heckler&Koch auch der US-amerikanischen Militärindustrie vor, sie würden durch die Aufrüstung der Bundeswehr Milliarden-Gewinne machen. "So werden im Rahmen des 100-Mrd.-Aufrüstungspaketes F-35-Tarnkappenbomber angeschafft. Diese Todesmaschinen wären auch dazu in der Lage, die US-amerikanischen Atombomben, die uns die Amis freundlicherweise einlagern lassen, abzuwerfen. Solche Vernichtungswaffen gehören nicht angeschafft, sie gehören abgeschafft!", führte aus und forderte Leila.

Der Ukraine-Krieg habe eine tabuisierte Vorgeschichte, welche benannt werden müsse, ohne sich entmutigen zu lassen, zu hinterfragen und die Verantwortlichen im Westen zu benennen, betonte eine verdi-Gewerkschaftssprecherin in ihrer Rede. "Und heute fragen wir uns, warum denn niemand eine ernsthafte Initiative zum Frieden ergreift. Wir fragen, warum sich in Rammstein 26 Staaten treffen, um die Kosten des Krieges, weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und die Kosten für den Wiederaufbau zu kalkulieren", monierte sie gleich darauf. Verdi lehne Kriegsrhetorik, Demonstration militärischer Macht, gegenseitige Gewaltandrohung und milliardenschwere Aufrüstung entschieden ab. Sie schloss mit dem Bertha von Suttner-Zitat: "Waffen nieder!"

Junge Demonstranten mit selbstgestaltetem Transparent

Mit großer Euphorie und Entschlossenheit kündigte die verdi-Sprecherin für den 22. Oktober 2022 einen Aufruf zu "Sozialprotesten" an. "Denn wir dürfen nicht weiter hinnehmen, dass einerseits die Energiepreise, die Lebenshaltungskosten explodieren, aber gleichzeitig Reiche und Profiteure des Krieges und der Energiekrise nicht angetastet werden", lautete der Vorwurf der Gewerkschafterin, der in der Forderung nach "Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von Oben nach Unten durch eine hohe Besteuerung von unverschämt hohen Vermögen" mündete.

Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, zitierte Carl von Clausewitz: "Krieg hat keine Grenze in sich." Krieg, jeder Tag mehr, bedeute Tote, Not und Zerstörung. Jeder Tag mehr bedeute die Gefahr der Eskalation "und das in einer Zeit, wo sowohl konventionelle als auch atomare Waffen die Menschheit auslöschen können", führte Müller den Gedanken weiter aus. Deshalb warf Müller allen Politikern, die Waffenlieferungen fordern, das Erbe der Friedenspolitik Willi Brandts zu verspielen. Dabei bezeichnete Müller die Vorwürfe des FDP-Politikers Alexander Graf von Lambsdorff, die deutsche Friedensbewegung sei die 5. Kolonne Moskaus und für die Toten von Butscha verantwortlich, schlichtweg als "bekloppt".

Banner von Protestteilnehmenden aus Der Linken

Müller kritisiert Außenministerin Baerbock scharf und entgegnet ihrer Kampfansage an Russland: "Wir werden die großen Probleme der Zeit nicht lösen, wenn wir nicht aus das größte und ressourcenreichste Land der Welt einbeziehen!" Seine weitere Analyse und die daraus resultierenden Schlussforderungen und Perspektiven lauteten so: "Deshalb sagen wir Nein zu Militarisierung der Welt! Wir sagen Nein zu der neuen Aufrüstung! Was wir brauchen ist eine Politik der gemeinsamen Sicherheit. Und gemeinsame Sicherheit heißt abrüsten! Das ist auch die Botschaft der Charta von Paris von 1990, die Abrüsten und ein atomwaffenfreies Europa gefordert hat."

Doch es sei heute festzustellen, setzte Müller sine Analyse fort, dass die USA das nicht gewollt haben! "Wir sagen aber Nein dazu, dass die NATO die Politik der Europäer bestimmt! Das darf nicht sein! Was wir jetzt brauchen, ist eine Stärkung eines selbstbewussten Europas, und zwar Gesamteuropas! Was wir brauchen ist Abrüstung! Was wir brauchen ist mehr Gerechtigkeit und Demokratie! Was wir brauchen, ist eine starke Friedensbewegung!", damit schloss Naturfreund Müller seine Rede.

Plakat eines Teilnehmers

Jacqueline Andres von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen ging schwerpunktmäßig auf den Zusammenhang von Krieg, Aufrüstung und Artensterben, Naturzerstörung und Klimawandel ein. "Geld ist da für Krieg und Zerstörung, aber nicht für Klima, Zukunft und Leben - das ist ein Skandal!", unterstrich sie empört. Das Militär und die Rüstungsindustrie seien klimaschädlich, ihr Zweck diene der Zerstörung von Mensch und Umwelt, hob Frau Andres hervor. "Sie beschleunigen den Klimawandel, sie beschleunigen das Artensterben und sie vergrößern die Gefahr eines Atomkrieges", fügte sie hinzu.

Zudem betonte Frau Andres die hervorragende Bedeutung von Walen für den Klimaschutz, die mehr als 50% des weltweiten Sauerstoffs produzierten und Unmengen von CO2 binden würden. "Forscher und Forscherinnen sagen, dass wenn wir die Walaktivitäten um einen Prozent steigern, dann ist es äquivalent zu zwei Milliarden ausgewachsenen Bäumen!", erläuterte Andres. Mit dem militärischen Sonar werde jede Aktivität der Wale unterbunden, gestört und dadurch werde der Klimawandel weiter vorangetrieben. "Wenn so viel Sonar eingesetzt wird, dann droht das Militär unsere Ozeane umzubringen", mahnte sie an inbezug auf die Pläne der NATO das Meer zu "digitalisieren".

Gefängnisdekanin Susanne Büttner von der Evangelischen Landeskirche Württemberg machte in ihrem Beitrag auf die Initiative "Christinnen und Christen sagen Nein zu Waffenlieferungen und Aufrüstung. Zum notwendigen Friedensbeitrag der Kirche für die Zukunft" innerhalb ihrer Kirche aufmerksam. Auszugsweise heißt es in der Erklärung: "Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist eine umfassende Krise für jegliche Form europäischer Friedenspolitik. Gerade deshalb ist es im Sinne der Botschaft Jesu, wenn wir als Christinnen und Christen nicht der Logik und Ideologie des Krieges verfallen. Entgegen dem momentan herrschenden gesellschaftlichen Diskurs wollen wir weiter für Friedensbemühungen, gegen Waffenlieferungen und gegen Aufrüstung eintreten."

Danach zitierte sie den Friedensbeauftragten der evangelischen Kirche Bischof Friedrich Kramer, der auch gegen das 100-Mrd.-Sondervermögen und gegen Waffenlieferungen eintrete: "Dass wir jetzt Waffen liefern, und wieder auf den Feldern, wo durch deutsche Schuld Millionen von Russen, Ukrainern, Weißrussen und Uzbeken verblutet sind, das ist unerträglich!" Zudem kritisierte sie das einfache Gut- und-Böse-Schema, denn die USA und der Westen haben ihr Versprechen, die NATO werde nicht nach Osten erweitert, gebrochen. "Dass wir als Menschheitsfamilie zu Solidarität und geteilter Zukunft gerufen sind und das Leben ein Geschenk ist; nicht die Drohung mit der Atombombe, sondern einseitige Abrüstung der Weg sein muss", war Büttners Plädoyer.

Die Stellungnahme der Initiative um Gefängnisdekanin Susanne Büttner kann bei friedenspfarramt@elk-wue.de mitunterzeichnet werden. Weitere Infos zur Informatiosstelle Militarisierung hier: https://www.imi-online.de/

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